0t1 steckt noch in den Kinderschuhen.

Stolen Focus: Why You Can’t Pay Attention – and How to Think Deeply Again by Johann Hari

Für „Stolen Focus“ begab sich der internationale Bestsellerautor Johann Hari auf eine dreijährige Reise, um die Gründe für unsere kürzer werdende Aufmerksamkeitsspanne aufzudecken. Er interviewte führende Experten zum Thema Aufmerksamkeit und erfuhr, dass alles, was wir über dieses Thema denken, falsch ist, denn unser Fokus wurde gestohlen.

It’s not your fault you can’t focus. It’s by design. The truth is that you are living in a system that is pouring acid on your attention every day, and then you are being told to blame yourself and to fiddle with your own habits while the world’s attention burns.
Auszug aus Stolen Focus by Johann Hari

Wer ist Johann Hari?

Johann Hari ist Autor von drei Bestsellern der New York Times. Seine Bücher wurden in 40 Sprachen übersetzt und von einer breiten Masse von Menschen gelobt.

Sein neuestes Buch, „Stolen Focus: Why You Can't Pay Attention“, wurde im Januar 2022 veröffentlicht. Es wurde als „Book of the Year“ ausgezeichnet von der Financial Times, der New York Post und Spectator. Es gewann mehrere Auszeichnungen und war ein Bestseller auf drei Kontinenten.

Worum geht es in dem Buch?

In dem Buch „Stolen Focus: Why You Can’t Pay Attention and How to Think Deeply Again“ untersucht Hari Faktoren, die Konzentration und Aufmerksamkeit fördern aber auch behindern, und argumentiert, dass Menschen zunehmend ihre Konzentrationsfähigkeit verlieren. Hari behauptet, dass es zwölf Hauptgründe für diesen großen gesellschaftlichen Wandel gibt. Das Buch widmet sich der Forschung dieser Faktoren. Das Buch enthält auch Anekdoten aus Haris eigenem Leben, wobei er sich anstrengt, die richtige Balance zwischen dem Nutzen der Technologie, der Schonung seiner Aufmerksamkeitsspanne und der Sorge um seine eigene geistige und körperliche Gesundheit zu finden.

Buchcover Stolen Focus von Johann Hari

Zunehmende Geschwindigkeit

Ausschlaggebend für den Verlust der Aufmerksamkeit sind vor allem Veränderungen unserer Umgebung, unseres Verhaltens, unseres Fortschritts und unserer Gesellschaft. So sind wir täglich immer mehr werdenden Reizüberflutungen ausgesetzt. Studien zeigen, dass wir uns immer weniger Zeit für ein einzelnes Thema nehmen. So wurde 2013 ein beliebtes Thema auf Twitter noch für durchschnittlich ca. 17,5 Stunden diskutiert und drei Jahre später, 2016, nur noch 11,9 Stunden. Jedoch ist dieses Problem nicht erst mit der Erfindung des Smartphones entstanden. Sune Lehmann, Professor für Computerwissenschaften, zeigte, dass bereits ab 1800 Themen in Büchern immer schneller gekommen und gegangen sind. Als Ursache für diese Mechanik steht die Informationsüberflutung. Während 1846 der tägliche Informationsfluss noch vergleichbar mit ca. 40 Zeitungen war, lag er 2007 bei bereits 174 Zeitungen jeden Tag.

What we are sacrificing is depth in all sort of dimensions... Depth takes time. And depth takes reflection. If you have to keep up with everything [...] there's no time to reach depth.
Sune Lehmann, Professor für Computerwissenschaft

Auch unser Lese-, Sprech- und sogar Laufverhalten nahm deutlich an Geschwindigkeit zu. Problem: Je schneller man liest, desto weniger versteht man davon. Unser Verstand ist nicht darauf ausgelegt, unendlich an Informationen zu verarbeiten.

Aber es ist noch nicht alle Hoffnung verloren. Wenn man sich langsamen Tätigkeiten wie Yoga, Tai Chi oder Meditation widmet, trägt dies erwiesenermaßen zu einer Verbesserung der Fokusfähigkeit bei.

Switching & Filtering

Neurowissenschaftler Earl Miller erklärte Johann, dass wir einen Mythos erschaffen haben, der sich seit Langem bei uns festhält; Der Mythos, dass wir mehrere Dinge gleichzeitig tun können. Ja, auch das regelmäßige Checken deines Smartphones nebenher zählt als Multitasking. Unser Gehirn ist nicht dafür gemacht, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Stattdessen wechseln wir ständig zwischen Aufgaben. Dies führt zum Screw-up-Effekt, bei welchem du durch den häufigen Aufgabenwechsel mehr zu Fehlern neigst. Aber auch deine Kreativität, deine Geschwindigkeit, dein Erinnerungsvermögen und zeitweise sogar dein IQ leiden unter dem Aufgabenwechsel.

Die Gefahr, das Handy nebenher zu benutzen, wird gewaltig unterschätzt. Hast du dein ablenkendes Smartphone z. B. während des Lernens neben dir, performst du im Durchschnitt 20–30 % schlechter.

Unsere Gehirne sind nicht nur durch das Switching überfordert. Adam Gazzaley, Professor für Neuro-, Physio- und Psychologie, vergleicht das Gehirn mit einem Nachtclub, wovor ein Türsteher steht. Die Aufgabe des Türstehers ist es, die meisten Reize, wie Verkehrsgeräusche, das Paar, das gegenüber der Straße laut diskutiert, oder das klingelnde Handy der Person neben dir, herauszufiltern. Der Türsteher ist notwendig, um irrelevante Informationen zu filtern und dich deinem Ziel widmen zu können. Jedoch ist der Türsteher durch steigende Lärmbelästigung überfordert genau wie durch generell mehr Ablenkung im Alltag. Kinder zum Beispiel sind in lauten Klassenzimmern deutlich unaufmerksamer als in stilleren Klassenzimmern. Trotzdem sind viele von uns von hohen Lärmleveln umgeben. Sei es das laute Großraumbüro, das Schlafen in Großstädten oder das Arbeiten in Cafés.

Der Flow State

Wärend seiner dreijährigen Reise auf dem Weg zu diesem Buch interviewte Hari unter anderem Mihaly Csikzszentmihalyi, einen Psychologen, führend in der Forschung des Flow-Zustands. Was ist der Flow-Zustand eigentlich? So gut wie jeder kennt das Gefühl, wenn man so stark in einer Tätigkeit involviert ist, dass man das Gefühl von Zeit und Selbst vergisst. Diesen Zustand nennen Experten einen Flow State. Er stellt eine bestimmte, besonders tiefgehende Form von Fokus dar. Dieses psychologische Phänomen erkannte Mihaly zum ersten mal beim Beobachten von Malern. Ihnen war der Prozess des Malens wichtiger, als das eigentliche Endergebnis. Ist ein Bild fertig, so wird es kurz betrachtet, beiseite gelegt, und ein neues Bild wird angefangen. Dabei erklärte Mihaly, dass der Sinn eines Flows darin besteht, immer weiter mit seiner Aktivität zu machen, ohne einem Hoch hinterherzueifern.

Wie erreiche ich Flow? Drei einfache Tipps:

  • Monotasking – widme dich nur einer Aufgabe und setze dir ein klares Ziel
  • Bedeutsame Aufgabe – Die Aufgabe sollte dir persönlich wichtig sein.
  • Geh an deine Grenzen – Fordere dich selbst, indem du etwas tust, das an den Grenzen deiner Fähigkeiten liegt, aber nicht darüber!

Während eine dir wichtige Tätigkeit das höchstmögliche Maß an Flow bieten kann, bietet das monotone Starren auf einen Bildschirm das geringstmögliche Maß.

Mind Wandering

Ein weiterer Grund, wieso unser aller Aufmerksamkeit zunehmend schlechter wird, ist der schlechte Ruf des Mind Wanderings, oder auf Deutsch des Gedankenwanderns. Dabei lässt man seinen Gedanken einfach freien Lauf ohne Ziel – man tagträumt also. Aufgrund des schlechten Rufs des Mind-Wanderings fühlen wir uns oft schlecht, wenn wir versehentlich unsere Gedanken schweifen lassen. Bereits im jungen Alter wird einem suggeriert, während des Unterrichts nicht aus dem Fenster zu schauen und die Gedanken schweifen zu lassen, sondern stattdessen sich stets auf den Unterricht zu konzentrieren. Jedoch ist es ein weit verbreiteter Irrglaube, dass dies sinnlos sei. Denn in Zeiten scheinbarer Untätigkeit ist unser Gehirn keineswegs inaktiv, sondern wechselt aktiv zwischen den beiden Gehirnhälften.

Drei wesentliche Dinge geschehen während dem Gedankenwandern:

  • Wir ordnen die Welt um uns herum. Wir verknüpfen Dinge und Erfahrungen miteinander und mit unserem Leben, sodass sie einen Sinn ergeben.
  • Wir schaffen Verbindungen zwischen verschiedenen Ideen und Konzepten, was oft zu Lösungen von Problemen führt; Viele bedeutende wissenschaftliche Durchbrüche treten während des Gedankenwanderns auf.
  • Wir begeben uns auf eine mentale Zeitreise. Dabei reflektieren wir die Vergangenheit und versuchen, die Zukunft hervorzusagen.

In unserer aktuellen Gesellschaft fokussieren wir uns selten und lassen unseren Gedanken kaum freien Lauf; stattdessen neigen wir dazu, oberflächlich zu überfliegen und fühlen uns dabei oft unbefriedigt.

Wie Technik uns manipuliert

Es ist kein Geheimnis, dass viele Plattformen wie Facebook, Google oder Instagram darauf aus sind, ihre Nutzer so lange wie möglich auf ihren Seiten zu halten. Denn je länger du auf ihren Seiten verbringst, desto mehr Geld verdienen sie. Hattest du auch schon einmal das Gefühl, dass dein Smartphone mithört, weil es dir genau das vorschlägt, wovon du zehn Minuten zuvor gesprochen hast? Das liegt daran, dass diese Firmen durch die Verfolgung von Klicks, Aussagen und Suchen ein sehr genaues Profil von dir in ihren Systemen haben. Dieses Profil ist so genau, dass es genaue Vorhersagen über dich treffen kann.

It's not your fault you can't focus. It's by design. Your distraction is their fuel.
Tristan Harris, ehemaliger Design-Ethiker bei Google

Hari fässt die weiteren Arten der Manipulationen durch große Technikfirmen wie folgt zusammen:

  1. Diese Seiten und Apps sind so gestaltet dass sie unseren Verstand trainieren ständig Belohnungen (Likes) zu verlangen.
  2. Sie bringen dich dazu öfter die Aufgabe zu wechseln (switching) um z.B. dein Handy in die Hand zu nehmen und Instagram zu öffnen.
  3. Sie wissen, wie du tickst, wie du dich verhältst und was dir gefällt.
  4. Der Algorithmus dieser Seiten ist aufgrund des negativity bias darauf ausgelegt, dich oft wütend zu machen.
  5. Dadurch fühlst du dich von der Wut anderer umgeben. Wenn man z. B. auf Instagram mal die Kommentarspalte bei sachlichen Nachrichtenpostings öffnet, findet man oft hitzige Diskussionen.
  6. Diese Seiten bringen die Gesellschaft in Aufruhr.

Negativity Bias: Menschen haben eine natürliche Neigung, negativen Aspekten mehr Aufmerksamkeit zu schenken als positiven.

Hari erwähnt auch einen Ansatz, der in Big-Tech-Unternehmen alltäglich Anwendung findet. Sie nutzen Verhaltensempfehlungen aus, um zu vermeiden, für die absichtliche Entwicklung süchtig machender Algorithmen zur Verantwortung gezogen zu werden. Beispielsweise stellt Nir Eyal in seinem Buch „Hooked: How to Build Habit-Forming Products“ vor, dass das Ziel des Designers es ist, „Internal Triggers“ gezielt einzusetzen, um den User an das Produkt zu binden. Er nennt dabei Angst („Fear of missing out“) als einen wichtigen Auslöser.

Dieser Ansatz wird auch als „Cruel Optimism“ beschrieben – es werden einem Verhaltenswege offengelegt, die einem helfen sollen, sein Medienkonsum zu bessern, jedoch ist der Nutzer selbst zum Scheitern verurteilt, da es nicht den Kern des Problems löst.

Our Health at Risk

Unsere Aufmerksamkeit und unsere Gesundheit wird durch viele Umweltfaktoren negativ beeinflusst, vor allem Schlafmangel wird in unserer Gesellschaft gerne verharmlost.

Zum Beispiel ist unsere Schlafmenge in den letzten 100 Jahren um 20% gesunken. Schlafmangel schädigt erwiesenermaßen Kreativität, Gedächtnis und erhöht den Blutdruck sowie den Heißhunger auf Fast Food, während es auf Dauer auch das Risiko für Demenz steigert. Während des Schlafs finden wichtige Prozesse statt, um die Aufmerksamkeitsspanne zu verbessern und aufrechtzuerhalten. Der Anstieg an künstlichem Licht über die letzten 100 Jahre beeinflusst unseren Schlaf negativ. Evolutionsbedingt sind Menschen nämlich sehr lichtsensibel. Das Licht erst vor dem Schlafengehen auszuschalten setzt in unserem Hirn eine neue Welle an Energie frei wodurch es uns schwerer fällt uns in einen guten Schlaf zu versetzen.

Um besser zu schlafen, kann es vor allem helfen, die Lichtexposition gering zu halten, dein Handy in einem anderen Raum zu laden und die Temperatur im Schlafzimmer auf die empfohlenen 16-18°C anzupassen. 

Ein weiterer Grund für Aufmerksamkeitsdefizite sind Faktoren wie schlechte Ernährung und Umweltverschmutzung. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Zusatzstoffe, Farbstoffe und Konservierungsstoffe in unseren Lebensmitteln zu einer verminderten Aufmerksamkeit bei Kindern führen. Beispielsweise bewies eine europäische Studie, dass Kinder, die regelmäßig bestimmte Zusatzstoffe konsumierten, viel hyperaktiver waren als diejenigen, die es nicht taten.

Er nennt hierbei drei Gründe, wie die Ernährung der heutigen Gesellschaft unsere Aufmerksamkeit negativ beeinflusst:

  • Wir nehmen Nahrung zu uns , die regelmäßige Energiespitzen und Energieabstürze verursacht
  • Die meisten von uns essen heutzutage so, dass uns die Nährstoffe entzogen werden, die wir für die Entwicklung und Funktion unseres Gehirns benötigen
  • Unsere aktuelle Ernährung enthält auch aktiv Chemikalien, die auf unser Gehirn fast wie Medikamente zu wirken scheinen

Auch die Umweltverschmutzung zeigt ihre Wirkung auf unsere Aufmerksamkeit. Die Form der Verschmutzung, von der wir als normale Bürger am meisten wissen, befindet sich überall in der Luft um uns herum. Das Leben in der Großstadt sorgt dafür, dass Menschen täglich Chemikalien einatmen, und man erlebt eine wiederholte chronische Schädigung des Gehirns. Das kann zu Schädigungen der Nervenzellen und Neuronen führen. In längerer Hinsicht werden damit sogar schließlich Gehirnzellen geschädigt.

Lösung zu diesem gravierenden Problem unserer Gesellschaft könnte sein, dass wir mehr Wert auf Vollkost legen und weniger verarbeitete Lebensmittel konsumieren. Auch sollten neue und bestehende Chemikalien auf Sicherheit getestet werden, bevor sie von normalen Menschen verwendet werden – und nur wenn strenge Tests bestanden werden, sollte es verwendet werden. Was das Thema Luftverschmutzung anbelangt, muss die Gesellschaft Druck auf die Regierungen ausüben, den Übergang zu Elektroautos per Gesetz voranzutreiben.

That's the magic bullet – just go back to whole foods.
Dale Pinnock, Ernährungswissenschaftler

The Surge in Stress

Hari untersucht die Verringerung der Aufmerksamkeitsspanne von Menschen in Zusammenhang mit Stress und traumatischen Erfahrungen. In 2020 führte er zusammen mit „The Council for Evidence-based Psychiatry“ eine Umfrage in den USA und Vereinigten Königreich. Die Umfrage identifizierte Menschen, die das Gefühl hatten, dass ihre Aufmerksamkeit nachließ, und fragte sie dann, warum sie glaubten, was der Grund dafür sei. Der meistgewählte Grund ist Stress mit 48 Prozent. An vierter Stelle landeten Mobiltelefone, die von 37 Prozent gewählt wurden. Hari realisierte, dass weitaus tiefgreifendere Mächte am Werk als unsere Telefone und das Internet waren – und diese führten wiederum dazu, dass wir eine dysfunktionale Beziehung zum Internet entwickelten. Eines dieser Mächte stellte er mit der Forschung der kalifornischen Generalchirurgin Nadine Burke Harris, welche Kindheitstraumata mit der Unfähigkeit, sich zu konzentrieren, in Verbindung setzt. Menschen, die unter stressvollen Bedingungen leben, leben in einem konstanten Notzustand. Nachfolgend fällt es diesen Menschen schwerer, sich auf andere Informationen zu konzentrieren. Hari zog somit die Schlussfolgerung, dass Menschen sich sicher fühlen müssen, um richtig aufmerksam sein zu können.

In den 1990er Jahren traten besonders diese Stressfaktoren stärker in den Vordergrund:

  • Anstieg des finanziellen Drucks
  • Anstieg an Schlafmangel
  • Anstieg der Arbeitsbelastung
  • schwächer werdende Mittelschicht

Hierzu gibt es aber auch einige Wege, das Problem zu lösen. Hari stellte ein Konzept des Geschäftsmanns Andrew Barnes vor, welcher die Vier-Tage-Woche in seinem Unternehmen einführte und bemerkte, dass es zu positiven Veränderungen in Konzentration und Produktivität der Mitarbeiter kam. Auch ist es wichtig, an sich selber zu arbeiten: Deinen Alltag genau zu planen, und Hobbies wie Sport und Meditieren können einen äußerst positiven Effekt auf deine Stressbewältigung haben. Auch solltest du keine Angst davor haben, wenn der Stress überwältigend wird, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

All this suggests that when people work less, their focus significantly improves.
Johann Hari

The Rise of ADHD

Heutzutage sind 13 % aller Jugendlichen in den USA mit ADHS diagnostiziert und die Mehrheit der Betroffenen erhält stark stimulierende Medikamente. Die Ursachen und besten Behandlungsmöglichkeiten für ADHS spalten die wissenschaftliche Gemeinschaft. Einige Forscher sind davon überzeugt, dass es sich bei ADHS größtenteils um eine genetische und biologische Störung handelt, die mit Medikamenten wirksam behandelt werden kann, während andere auf Hinweise verweisen, dass vermeidbare Umweltfaktoren die Ursache für die meisten ADHS-Fälle sind. Mehrere Studien ergaben, dass Kindheitstraumata und das Ausmaß an Stress und Chaos in der Umgebung eines Kindes bessere Prädiktoren für die ADHS-Diagnose sind als genetische Faktoren. Ein interessanter Zusammenhang, den Hari nennt, ist, dass selbst Tiere, die in Gefangenschaft in Zoos leben, unter den nicht artgerechten Bedingungen an ADHS-ähnlichen Symptomen leiden. Nach einer alarmierenden Statistik verwenden rund 50 % der amerikanischen Zoos psychiatrische Medikamente, um Verhaltensprobleme bei ihren Tieren zu behandeln. Hari kommt zu dem Entschluss, dass die Genetik zwar eindeutig eine Rolle bei der Entstehung von ADHS spielt, Umweltfaktoren jedoch ein viel größeres Problem darstellen.

Diese Statistik zeigt den Prozentsatz der Kinder in den USA mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) von 1997 bis 2018. Im Jahr 2018 wurde bei etwa 9,8 Prozent der Kinder in den USA ADHS diagnostiziert, verglichen mit 5,5 Prozent im Jahr 1997.

Er argumentiert, dass Anstrengungen unternommen werden sollten, um bei schlechter Ernährung und Schlaf, Luftverschmutzung, Stress und Trauma den Betroffenen Hilfe zu bieten und Kinder vor diesen Stressfaktoren zu schützen. Auch Aufklärung und Sensibilisierung, Elterntraining und Unterstützungsangebote in Schulen sind wichtige Aspekte, die Kindern mit ADHS helfen.

The Confinement of Our Children

In der westlichen Kultur kam es in den letzten Jahrzehnten zu einer Reduzierung sozialer Spiele im Freien, was die Aufmerksamkeitsfähigkeit von Kindern beeinträchtigt hat. Statistiken belegen, dass viele Kinder heute unter einer Art „Hausarrest“ leben und ihr Zuhause nicht verlassen oder unbeaufsichtigt mit anderen Kindern spielen dürfen. Das zieht gravierende Folgen mit sich, unter anderem unzureichende Bewegung, nachlassende Vorstellungskraft und Kreativität sowie weniger Freude und soziale Bindungen. Auch das moderne Schulsystem verwalten die Schüler zudem bis ins Kleinste Detail, so dass wenig Zeit für freies Spiel oder individuelle Interessen bleibt. Es wird viel mehr Wert auf Lehrpläne, Hausaufgaben und Tests gelegt, was für die Kinder ein zusätzlicher Stressfaktor ist, da sie schon mit jungen Jahren auf einem Level beansprucht werden, der ihrem Alter nicht gerecht ist.

Hierzu gibt es aber Alternativen, wie beispielsweise spielerische Bildungsmodelle, die es den Schülern erlauben, auch ihren eigenen Interessen nachzugehen. Das hat die Folge, dass Schüler aufmerksamer werden, da sie aktiv im Lernprozess miteinbezogen werden. Auch Regelschulen sollten Stressfaktoren wie Hausaufgaben und Tests begrenzen und ihren Schülern mehr Zeit zum Spielen und freien Denken geben. Auch das Fördern von Outdooraktivitäten hat einen positiven Effekt auf Kinder.

Fazit

Hari fasst das Thema prägnant zusammen. Er beschreibt die Situation als eine globale Aufmerksamkeitskrise, was uns den Ernst der Lage verdeutlicht. Geschickt bringt er die historischen Hintergründe, die neuesten Entwicklungen und aktuelle Forschungsergebnisse zu diesem Thema zusammen und gibt dennoch persönliche Empfehlungen, wie wir uns als Gesellschaft verbessern können. Dabei betrachtet er bestehende Strukturen in unserer Gesellschaft aus einem anderen Blickwinkel und äußert konstruktive Kritik, dass diese dringend Veränderungen benötigen. „Stolen Focus“ ist eine herausragende Lektüre, die uns lehrt, wie man im 21. Jahrhundert seine Aufmerksamkeit besser verwalten kann. Wir empfehlen dieses Buch jedem, der Schwierigkeiten hat, sich nicht ständig auf technische Geräte zu verlassen oder viel Zeit in sozialen Medien verbringt und sich das Ziel gesetzt hat, seine Aufmerksamkeitsspanne zu verbessern.


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