Einleitung

Als großes Semestermodul des Wahlpflichtfachs Visuelle Systeme galt es, ein flexibles Design-System als Corporate Design für ein lokales Geschäft in Ulm oder für einen fiktiven Auftraggeber zu entwickeln. So sollte nochmal eine alternative Herangehensweise zu den typischen durchdeklinierten Corporate Designs vermittelt werden.

Briefing

Zunächst einmal ging es darum, sich ein lokales Geschäft in Ulm zu suchen und ein fiktives Auftragsbriefing zu verfassen, das anschließend als Guideline während des Projekts genutzt werden kann.

Recherche

Um noch umfassendere Informationen über die Zielgruppe eines solchen Plattenladens zu erhalten, haben wir durch weitere Recherche folgende Ergebnisse gesammelt.

Markt

Der Verkauf von Schallplatten ist in den letzten Jahren stark gestiegen:

  • 2021: ca. 4,5 Mio.
  • 300.000 mehr Verkäufe als im Vorjahr

Ein besonderes Event ist der internationale Record Store Day, an dem weltweit massenhaft exklusives Vinyl (Sonderveröffentlichungen, Rares, Unveröffentlichtes, Box-Sets,…) verkauft wird.

Das Kaufverhalten unterscheidet sich auch wesentlich zu dem von CDs:

  • normale Katalog-Alben sind nicht so gefragt, sondern möglichst rare Platten
  • oft kein großer Fokus auf bestimmten Musikstil oder Band (eher allgemeine Musikrichtung), sondern mehr auf interessanten individuellen Platten
  • großer Teilaspekt: Plattencover → Artworks

Altersstruktur

Laut Statista verteilt sich die Altersstruktur der Käufer von Vinyl wie folgt:

  • 10-29 Jahre: 7%
  • 30-39 Jahre: 11%
  • 40-49 Jahre: 36%
  • 50-59 Jahre: 35%
  • 60+ Jahre: 12%

Dabei sind Sammler von Vinyl-Schallplatten zu ca. 80% Männer.

Sammleraspekt

Ein wichtiger Teilaspekt ist der Reiz, generell Dinge zu sammeln (»Jagen & Sammeln«).

Hier kommt aber auch der Reiz hinzu, in Plattenläden wertvolle Schätze zu entdecken, wie limitierte Auflagen, Erstpressungen, etc (»Überraschungsei-Effekt«). Dieser Sammlerreiz steht in starkem Zusammenhang mit dem Retro- oder Nostalgiefaktor der Schallplatten.

Zudem besteht großer Austausch-Bedarf unter Vinylsammlern.

Genussaspekt

Einer der am öftesten genannten Aspekte ist der Genussaspekt, der sich aus folgenden Bestandteilen zusammensetzt:

  • Soundqualität
  • bewusstes Hören
  • visuelle Ästhetik (Plattencover, Rotation auf Plattenspieler)
  • Gemütlichkeit des Knisterns beim Abspielen (vllt Lagerfeuer-Assoziationen?)
  • Vorgang/Ritual des Plattenauflegens (Platte auswählen → aus Hülle holen → auf Plattenspieler setzen → Plattenspieler starten → Nadel aufsetzen)
Für den Sammler ist der Besitz das allertiefste Verhältnis, das man zu Dingen überhaupt haben kann: Nicht, dass sie in ihm lebendig wären, er selber ist es, der in ihnen wohnt.
Kulturphilosoph Walter Benjamin

Visuelle Recherche

Nachdem der Auftrag definiert und die Interessen der Zielgruppe recherchiert wurden, konnten wir uns nun der Recherche der visuellen Inhalte zuwenden. Die Frage lautete hierbei: Wie können wir die im Briefing definierten Schlagworte visuell repräsentieren? Wir haben dabei den Fokus auf den Retroaspekt, die Ausstattung des Plattenladens und die Schallplatte als Hauptmotiv gelegt.

Erste Entwürfe

Mit all den Maßgaben als Basis, wurden nun Designexperimente als Ansätze für mögliche visuelle Systeme durchgeführt. Dazu wurden zunächst gewisse Komponenten als »Assets« angelegt, die im Anschluss auf verschiedene Art und Weise systematisch angeordnet werden konnten.

Variante 1

Hier bildet die Schallplatte das Ausgangsobjekt, die in verschiedenen Varianten grafisch dargestellt wurde.

Um sie einzufärben, wurden anschließend die häufigsten Farben von Plattensammlungen gesampelt und angewendet. Diese Plattengrafiken wurden geviertelt, um flexiblere Module zu erhalten.

Anschließend ist ein grobes Grundraster definiert worden, auf welchem die grafischen Elemente und Texte angeordnet werden konnten.


Variante 2

In diesem Ansatz wird das angebotene Medium noch stärker abstrahiert und ist nur noch in geometrischen Grundformen erkennbar: Die Schallplatte als Kreis und die Plattenhülle als Quadrat, bzw. Linie.

Farblich orientiert sich diese Variante wieder im Bereich der 60er/70er Jahre, allerdings mit etwas höherer Sättigung: Von Rot bis Gelb mit einem Blauton als Farbkontrast und einem etwas neutraleren Grauton.

Diese Elemente wurden nun auf dem Raster aus Variante 1 angeordnet, dabei aber sehr großflächig inszeniert.


Variante 3

Neben der Schallplatte als Grundmotiv soll bei dieser Herangehensweise auch der Sound visualisiert werden.

Die weichen und organischen Formen sollen hier die Dynamik der Musik darstellen. Farblich verfolgt diese Variante einen wesentlich moderneren Ansatz: Schwarz/Weiß mit einem leuchtenden Gelb, um sehr starke Kontraste zu erzeugen.

Die Elemente werden hier nicht auf einem klaren Raster angeordnet, sondern freier arrangiert, um so die Dynamik im Bild zu verstärken.


Variante 4

Dieser Ansatz kehrt wieder ausschließlich zur Schallplatte als Hauptmotiv zurück, ist aber nicht länger vollständig vektorbasiert.

So wird zunächst die Schallplatte als Grafik angelegt und anschließend in Photoshop mit dem Liquifier Tool unterschiedlich verformt. Die entstandenen Formen können nun sehr großflächig, aber auch in kleineren Kombinationen verwendet werden.

Visuelles System

Das finale visuelle System basiert zunächst auf einer weiteren Herangehensweise, die die Farben und die Schallplatte aus Variante 3 als Hauptdarsteller aufgreift, jedoch mit viel reduzierteren geometrischen Formen arbeitet.

Weiterentwicklung

Die Formen und die Möglichkeit der flexiblen Anordnung und Überlagerung haben hier überzeugt, doch mussten die Farben sich wieder mehr an dem Retro- und Nostalgiefaktor unserer recherchierten Maßgabe orientieren.

Deshalb wurde nun versucht, diese Elemente aus Variante 2 der Entwürfe zu integrieren, wodurch sich die Ergebnisse zwar annäherten, aber weiterhin noch nicht einem System zugehörig schienen.

Definition des finalen Systems

Um diese Einheit zu schaffen, wurden nun in allen Bereichen, basierend auf den letzten Entwürfen, klare Regeln aufgestellt und somit das zukünftige Designmanual geschaffen.

Das System besteht aus einer Anzahl von Elementen, die unter Beachtung der Regeln verwendet werden müssen. Für eine hohe Flexibilität gibt es kein klassisches Raster und insgesamt nur wenig Einschränkung bei der Verwendung. Außerdem ist die Anzahl der Elemente relativ groß und bietet viele Kombinationsmöglichkeiten. Alle Elemente dürfen unter Berücksichtung der im Design-Manual definierten Farbverhältnissen beliebig eingefärbt werden.

Eine der wichtigsten Regeln ist die Verwendung des Punktes als Maßeinheit für die Skalierung der Elemente und zur Festlegung der Abstände von bestimmten Layoutelementen. Es ist zu beachten, dass das Visuelle System keine fixen Punktgrößen bzw. Punktabstände erfordert. Somit ist noch viel Kreativität dem Designer überlassen. Dieses System soll lediglich eine gewisse Form von Ordnung schaffen, ohne zu einer harten Einschränkung zu werden.

Finale Entwürfe

Mithilfe dieses zwar klar geregelten aber dennoch flexiblen visuellen System haben wir schlussendlich Anwendungsbeispiele für verschiedene Medien erstellt.

Plakate

Basierend auf den bisherigen Entwürfen, aber unter Anwendung der neu definierten Richtlinien sind zwei Plakate entstanden. Das eine soll als allgemeine Werbung für das Geschäft dienen, das andere bewirbt ein fiktives Event.

Beutel

Für die Tragetaschen wurden die visuellen Grundelemente großflächig eingesetzt, um einen eher dekorativen Charakter zu erzeugen.

Website

Der Entwurf einer Landingpage für Soundcircus versucht den hohen grafischen und freien Charakter des visuellen Systems ins Digitale zu transportieren. Deshalb werden die Gestaltungselemente immer wieder verwendet, um die klar abgegrenzten Inhaltsbereiche der Website aufzubrechen.

Farblich dienen Schwarz, Weiß und Gelb zur visuellen Strukturierung und werden eher dekorativ eingesetzt, während das Rot-Orange als Signalfarbe Interaktionsmöglichkeiten anzeigt.

Social Media Posts

Anhand des Instagram-Formats wurden mögliche Entwürfe erstellt. Die Anordnungen sind sehr flexibel und können von großflächigen Bildern bis zu rein vektorbasierten Grafiken reichen. Grundsätzlich ist darauf zu achten, Elemente eher etwas größer zu verwenden, da die Bildschirmgröße vergleichsweise klein ausfällt.

Ladenfront

Zuletzt wurde noch ein Designentwurf für das Schaufenster der bestehenden Ladenfront angefertigt. Hier musste viel Fläche als Sichtfenster unberührt bleiben, die beiden prominenten bereits existierenden Schriftzüge wurden übernommen und im Rahmen des neuen Systems angepasst.

Mock-Ups

Team

Felix Dedek, Marc Fischer

Betreuung

Prof. Damian Gerbaulet