Problemstellung

Seit einigen Jahren ist der Einsatz von digitalen Medien kaum verhandelbar – sowohl im beruflichen als auch privaten Alltag. Während sich dadurch auch ein immer breiter werdendes Spektrum an digitalen Unterhaltungsmedien entwickelt, stellt sich die Frage, welche Auswirkung diese Entwicklung auf traditionelle Kulturformen hat, die vordergründig ohne die digitale Komponente agieren.

Noch besteht ein Interesse an der Theaterkultur, allerdings überwiegend bei einem älteren Publikum und auch das passt sich in seiner Freizeit zunehmend dem digitalen Trend an.

Lösungsansatz

Um zu verhindern, dass mit der älteren Generation die letzte wirklich theateraffine ausstirbt, sollte sich die Kulturbranche den Bedürfnissen des potenziellen Publikums anpassen, digitale Mittel nutzen und damit die Zukunft des Theaters sichern.

In diesem Zusammenhang ist im Rahmen meiner Bachelorarbeit ein eigenes Konzept des digitalen Theaters entstanden, das Antwort auf die nebenstehende Forschungsfrage gibt.

Wie können digitale Projektionen die Ausdruckskraft und Wirkung von live aufgeführtem Tanz intensivieren, um sich damit sowohl den Fortschritten des digitalen Theaters anzupassen als auch die Essenz der klassischen Bühnenkunst zu bewahren?
Forschungsfrage

Konzept

Zielgruppe: Theaterschaffende

Ziele

  • Einstieg ins digitale Theater
  • Inspiration
  • Ansprechen eines vielfältigeren Publikums ermöglichen

Anforderungen an das Konzept

(hinsichtlich der breiten Zielgruppe)

  • Einfache und preisgünstige Beschaffung der Arbeitsmittel
  • Unkomplizierter Zugang
  • Verzicht auf Methoden mit sichtbaren Motion Tracking/ -Caption Elementen

Fokus

Der Fokus des Konzepts liegt auf dem Live-Charakter des klassischen Theaters. Der Ausdruck der Tanzbewegungen soll visuell verstärkt werden. Besonders wichtig ist auch die Interaktion zwischen der Live-Darbietung der Tänzerin und der digitalen Komponente.

Methode

Die Bewegungen der professionellen Tänzerin werden live aufgenommen und die aufgezeichneten Daten parallel in Echtzeit verarbeitet. Die visuelle Darstellung und Verfremdung der Tanzbewegungen steht im Vordergrund.

Sparte

Für die Erprobung der Methode fiel die Wahl auf die Sparte des Tanztheaters. Jede Art von Inszenierung lebt von der Körpersprache der Akteure, beim professionellen Tanz liegt der Fokus jedoch ausschließlich auf den körperlichen Bewegungen und deren Ausdruck und eignet sich daher ideal im Kontext dieser Arbeit.

Digitale Komponente

Webcam (HD)

Codes

PC mit Internet

Beamer

Codes

Auf der Suche nach einer geeigneten Lösung ist die Idee entstanden, mit einer bereits durch das Studium bekannten Software zu arbeiten. Die Basis für die finalen Codes bildet ein Programm der Online-Bibliothek von »ml5.js« auf das bei der Ausführung des Codes zurückgegriffen wird, um die Bewegungen der Tänzerin tracken zu können.

Die »bodyPose« Methode der Bibliothek arbeitet mit Keypoints als Anhaltspunkte zur Berechnung des menschlichen Skeletts. Sie die Basis für alle folgenden Codes, die durch unterschiedliche Funktionen verschiedene Darstellungen und Verfremdungen der Tanzbewegungen erzeugen.

Strichmännchen

Dieser Code orientiert sich optisch stark an der Standarddarstellung der bodyPose Funktion. Die Keypoints, die als Erkennungspunkte der menschlichen Gliedmaßen dienen, fallen allerdings weg. Dementsprechend werden nur die Linien dargestellt. Somit entsteht optisch ein Strichmännchen, das als Kopf ebenfalls die Verbindungslinien der Gesichtspunkte trägt und damit etwas verfremdet aussieht. Diese eher figürliche Variante lässt keinen großen Interpretationsspielraum zu. Allerdings ist diese Variante besonders wichtig im Kontext, da sie die Bewegungen der Tänzerin exakt widerspiegelt und als einzige wirklich figürliche Version des Codes der Tänzerin optisch am nächsten kommt. Dadurch hat der Zuschauer immer wieder die Möglichkeit, das Gesehene auf der Bühne und in der Projektion einfach verknüpfen und nachvollziehen zu können, während die folgenden Codes die Bewegungen abstrakter darstellen.

Abstraktes Skelett

Um ein abstrakteres Bewegtbild zu erzeugen, werden in diesem Code die Keypoints des Skeletts durch Linien mit einigen Querverbindungen miteinander verbunden, wodurch eine fast senkrechte Mittelachse in der Figur und mehrere spitze Elemente durch die Ausprägung der Gliedmaße entstehen Außerdem wird an einer Stelle der JavaScript Datei ein Effekt angewandt, der die Zeichnungen des abstrakten Skeletts verlangsam verblassen lässt. Dadurch werden auch noch nach Aktualisierung der Körperposition die vorherigen Bewegungen für kurze Zeit angezeigt, um auch beischnellem Wechsel die Wirkung der eher komplexeren Figur nicht zu verfehlen.

Dreiecke im Farbwechsel

Diese Ausführung entfernt sich optisch weiter von der Basis-Funktion. Diese abstrakte Form entsteht aus mehreren übereinander liegenden und unterschiedlich großen Dreiecken. Dadurch entsteht eine starke visuelle Verfremdung – mit Fantasie ist jedoch auch etwas Figürliches erkennbar. In dieser Darstellung wird auch mit Farbe gearbeitet. In Anlehnung an Ittens Farbkreis und in Kombination mit den geometrischen Formen ist die Idee zu einem möglichen Farbwechsel innerhalb der Figur aufgekommen. Basierend auf der Geschwindigkeit der verfolgten Bewegungen ändert sich die Einfärbung der Dreiecke.

Raster

Die vierte Version des Codes ist in ihrer Darstellung ganz losgelöst von dem ursprünglichen Skelett. Um ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten aufzeigen und unterschiedliche Testergebnisse erzielen zu können, ist diese Variante entstanden, die im Gegensatz zu den anderen Visualisierungen größere Flächen des Bildschirms nutzt. Hierzu wird das Canvas in ein Raster unterteilt und die einzelnen Zellen nur dann hellgrün eingefärbt, wenn an der Stelle eine Bewegung wahrgenommen wird – finden mehrere Regungen im gleichen Abschnitt statt, färbt sich dieser purpurrot. Die Farbwahl erfolgte erneut auf Grundlage von Ittens Farbkreis, diesmal unter Berücksichtigung des Komplementärkontrasts.

Verfremdung durch Licht

Um die vier verschiedenen Codes nicht nur auf ihre alleinstehende Wirkung zu untersuchen, sollte eine Methode gefunden werden, die Idee in aufführungsähnlichen Situationen zu testen. Um den Kontext beizubehalten bzw. zu betonen, wurde mit aus der Theaterwelt bekannten Elementen gespielt, um die Projektion zu beeinflussen.

Essenziell, um das Bühnengeschehen überhaupt wahrnehmen zu können, ist die Beleuchtung im Theater. Daher wurde die Funktion der Codes im Zusammenspiel mit unterschiedlichen Lichtstimmungen und Requisiten als Lichtquellen untersucht.

Erprobung – Testergebnisse

Zu Beginn haben alle Codes in einer hellen Beleuchtungssituation einwandfrei funktioniert. Dunkle Kleidung hat allerdings in keinem Fall Ergebnisse geliefert, vermutlich weil die Testumgebung – ein schwarz gestrichener Raum – sämtliches Licht absorbiert und somit keine Reflexionsmöglichkeiten zu Berrechnung der Keypoints bestehen. Dementsprechend wurden alle weiteren Test mit dem weißen Outfit durchgeführt. Wiederholt haben sich unerwartete Ergebnisse eingestellt, wie etwa bei dem Test mit einzelnen Lichtkegeln. Die LED-Strahler wurden im Dreieck angeordnet, jedoch hat die Bewegungserkennung nur im Zentrum innerhalb des Streulichts und außerhalb der direkten Lichtkegel funktioniert. Währenddessen konnten die Codes im Zusammenhang mit dem Schwarzlicht (UVA) insgesamt fehlerfrei genutzt werden. Die Stirnlampe hat eingeschränkt als Leuchtmittel innerhalb der Methode funktioniert, indem sie bei direkter Ausrichtung auf den Körper bei einem gesenkten Blick der Tänzerin die Bewegungserkennung ermöglicht. Effekte wie diese und auch andere der Testreihe können gezielt im Theaterkontext eingesetzt werden. Wichtig ist jedoch zu beachten, dass diese Motion Capture Methode ausreichend innerhalb der Inszenierung getestet werden sollte, um gewünschte Ziele zu erreichen und ungewollte Fehler zu vermeiden.

    Eindrücke

    Autorin

    Fiona Linnenlüke

    Betreuung

    Prof. Damian Gerbaulet