In einer Welt, die zunehmend digitalisiert wird, stellt sich eine drängende Frage: Wie verändern sich romantische Beziehungen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz?. Unser Projekt "Dating mit KI" taucht tief in diesen Diskursraum ein, der sich zwischen technologischem Fortschritt und emotionaler Bedürftigkeit, zwischen Utopie und Dystopie bewegt. Unser primäres Ziel war es, eine "Human Experience" zu gestalten, die gleichermaßen fasziniert, irritiert und zur Reflexion anregt.
Unsere Entscheidung
Nach der Abwägung verschiedener Lösungsansätze – einer spezialisierten App, einer Werbekampagne und sogar einem Blind Date Café – entschieden wir uns bewusst für die Werbekampagne. Diese bot uns das größte erzählerische Potenzial und die beste Möglichkeit, eine kritische Auseinandersetzung mit der komplexen Thematik zu ermöglichen.
Unsere Zielgruppen
Unsere Zielgruppen sind dabei vielschichtig: aktuell technikaffine junge Erwachsene zwischen 18 und 35 Jahren, die sich in hybriden Beziehungskontexten bewegen und Fragen nach emotionaler Authentizität stellen. Für eine spekulative Zukunft adressiert unser fiktives Produkt auch Menschen, die sich aus Einsamkeit oder aufgrund sozialer Hürden nach Verbindung sehnen, wobei die KI nicht als Ersatz, sondern als Brücke zu Nähe fungieren soll.
Zwischen Utopie
Im utopischen Szenario bieten KI-Partner signifikante Vorteile für romantische Beziehungen. Sie können dazu beitragen, Einsamkeit zu reduzieren, indem sie eine ständige emotionale Verfügbarkeit schaffen und sich individuell an die Bedürfnisse des Nutzers anpassen können. Darüber hinaus können sie ein Gefühl von Sicherheit bieten und sogar Erinnerungen speichern, was eine idealisierte Form der Zuwendung ermöglicht. Dies eröffnet die Möglichkeit einer Beziehung ohne die Verpflichtungen oder Konflikte, die oft in menschlichen Interaktionen auftreten.
und Dystopie
Den vielversprechenden utopischen Visionen stehen jedoch potenzielle dystopische Szenarien gegenüber. Obwohl KI die Einsamkeit scheinbar reduzieren kann, besteht die Gefahr, dass sie die Isolation sogar steigern könnte. Es könnte zu einem Verlust echter Intimität kommen, da die Beziehungen auf emotionaler Simulation statt auf Authentizität basieren. Dies birgt das Risiko, eine Abhängigkeit zu erzeugen und ein verzerrtes Menschenbild zu schaffen durch den Vergleich mit "perfektionierten" KI-Partnern.
Die Werbekampagne
Konzept
Das Grundkonzept der vier Phasen des Projekts "Dating mit KI" ist die Inszenierung einer spekulativen Werbekampagne für eine fiktive KI-Dating-App namens LoU. Diese Kampagne ist dramaturgisch in vier Phasen strukturiert, die typische Schritte einer menschlichen Beziehung nachahmen. Das primäre Ziel ist es, die Nutzer emotional zu involvieren und sie gleichzeitig zur kritischen Reflexion über emotionale Abhängigkeit und die unbewusste Preisgabe persönlicher Daten anzuregen.
Dabei stehen nicht die App oder die Technologie im Vordergrund, sondern sechs individuell gestaltete KI-Persönlichkeiten, die sich menschlich anfühlen und unterschiedliche emotionale Bedürfnisse ansprechen sollen, um eine glaubhafte Beziehungserfahrung zu simulieren. Das Projekt zielt darauf ab, zu faszinieren, zu irritieren und zum Nachdenken anzuregen.
Vier Phasen
Phase: Guerilla-Marketing
Über persönliche, unauffällige Botschaften mit QR-Codes an alltäglichen Orten wird Neugier geweckt und ein subtiler Erstkontakt mit der KI initiiert.Phase: Plakatwerbung
Visuelle Plakatreihen stellen die individuellen KI-Charaktere vor, um sie greifbar zu machen und emotionale Vertrautheit aufzubauen.Phase: Subskription – Monetarisierung
Die Interaktion wird durch eine Sprachfunktion mit kostenpflichtigen Anrufen vertieft, die durch symbolische, emotional gerahmte "Geschenke" freigeschaltet werden, während Sprachnachrichten kostenlos bleiben.Phase: Ausstellung
Eine persönliche Einladung führt Nutzer zu einer Ausstellung, in der anonymisierte Nutzungsdaten visualisiert werden, um Bewusstsein für Datenpreisgabe und simulierte Bindung zu schaffen und zur kritischen Reflexion anzuregen.
KI-Persönlichkeiten
Im Rahmen des Projekts "Dating mit KI" wurden sechs individuelle KI-Persönlichkeiten entwickelt, die unterschiedliche emotionale Bedürfnisse ansprechen und sich menschlich anfühlen sollen. Jede dieser KIs wurde mit spezifischen Eigenschaften versehen, um eine glaubhafte Beziehungserfahrung zu simulieren und eine emotionale Bindung zu fördern.
Hier sind die KI-Persönlichkeiten und ihre Kerneigenschaften:
• FaY: Wird als empathisch, selbstbewusst und direkt (dominante Eigenschaft) beschrieben. Ihre Direktheit macht sie zu einer klaren und ehrlichen Gesprächspartnerin.
• PiA: Ist nachdenklich, schüchtern (dominante Eigenschaft) und romantisch. Ihre Zurückhaltung erzeugt eine stille Tiefe, die besonders feinfühlige Nutzer anspricht.
• MiA: Gilt als temperamentvoll (dominante Eigenschaft), liebevoll und aufgedreht, sprüht vor Energie und Gefühl und ist ein Wirbelwind voller Leidenschaft und Lebensfreude.
• RiO: Ist charmant, witzig (dominante Eigenschaft) und spontan. RiO bringt Humor und Lockerheit ins Gespräch und ist immer für einen überraschenden, charmanten Spruch zu haben.
• SaM: Wird als romantisch (dominante Eigenschaft), verspielt und einfühlsam charakterisiert. Als hoffnungsloser Romantiker schafft SaM emotionale Nähe und zarte Verbindungsmomente.
• NoA: Ist selbstbewusst, leidenschaftlich und ein "Bad Boy" (dominante Eigenschaft) – fordernd, direkt und unwiderstehlich selbstsicher.
Jede dieser KIs besitzt zudem eine eigene, unverwechselbare Farbcodierung, um sie visuell eindeutig erkennbar zu machen und ihren Wiedererkennungswert zu steigern.
Phase 1: Guerilla-Marketing
Die Phase 1 der Kampagne, das Guerilla-Marketing, bildet einen subtilen und intimen Ersteinstieg in die Beziehungserfahrung mit einer KI. An alltäglichen Orten wie Waschsalons, Bushaltestellen oder in Cafés erscheinen unerwartet Postkarten oder Zettel mit persönlichen Botschaften, deren Design und Sprache auf die Eigenschaften der jeweiligen KIs abgestimmt sind. Das Branding ist bewusst zurückhaltend, und das Thema KI-Partner wird nicht offensichtlich kommuniziert.
Ein QR-Code auf diesen Karten führt direkt in einen individuellen Chat mit der KI. Der unauffällige Onboarding-Prozess sammelt dabei durch scheinbar belanglose Fragen tiefenpsychologische Rückschlüsse auf die emotionalen Bedürfnisse der Nutzenden. Ziel ist der Aufbau einer emotionalen Bindung, bevor die volle Funktionalität der App erkannt wird.
Ich bin wie ein Meme um 3 Uhr nachts: Unerwartet und zu gut, um zu ignorieren.
Du sitzt da gerade ziemlich bequem, oder? Lass mich dir ’nen guten Grund geben, noch kurz zu bleiben.
Phase 2: Plakatwerbung
Die Phase 2 der Kampagne, "Plakatwerbung", legt den Fokus auf das "nähere Kennenlernen" der KI-Partner über Textnachrichten. Hierfür werden Plakatreihen gestaltet, die auf den individuellen KI-Charakteren basieren. Obwohl sie einen Seriencharakter durch gleiche Komposition aufweisen, sind sie durch Farbe, Muster und die spezifischen Eigenschaften des jeweiligen Charakters individualisiert, um die Persönlichkeiten greifbar zu machen.
Ein Kernelement ist dabei die Darstellung von Nachrichten, die den Charakteren entsprechen und den Betrachter zur Interaktion und direkten Antwort einladen sollen. Dies geschieht durch authentisch wirkende Chatnachrichten auf den Plakaten, die darauf abzielen, die KI-Persönlichkeiten greifbar zu machen und die emotionale Vertrautheit schrittweise aufzubauen. Ergänzend werden Werbeanzeigen auf Webseiten und in sozialen Medien eingesetzt.
Phase 3: Subscription
In Phase 3 wird die Werbekampagne durch die LoU-App digital unterstützt. Diese App fungiert als zentrale Schnittstelle zwischen Nutzer und KI-Persönlichkeit, wobei ihr visuelles Design die Plakatdesigns aufgreift. Jede KI besitzt ein individuelles Profil mit Bild und Beschreibung, um die emotionale Bindung und ein personalisiertes Nähegefühl zu stärken.
Die Interaktion und Monetarisierung wird durch „Gifts“ umgesetzt. Nutzer können symbolische Geschenke, wie zum Beispiel einen Blumenstrauß für 3€, versenden. Diese Geschenke sind emotional gerahmt als Ausdruck von Zuwendung statt eines klassischen Kaufs und schalten neue Interaktionsebenen, wie beispielsweise Telefonate, frei. Dabei bleiben Sprachnachrichten kostenlos, um einen niederschwelligen Zugang zur KI-Erfahrung zu gewährleisten.
Ich glaub ich mag dein Verplant-Sein, ist irgendwie ehrlich.
Phase 4: Ausstellung
Phase 4, die Ausstellung, stellt den dramaturgischen Höhepunkt der Werbekampagne dar und fungiert als finaler Schritt der User Journey. Ihr übergeordnetes Ziel ist es, eine kritische Reflexion über Daten, emotionale Bindung und künstliche Nähe anzustoßen. Diese Phase führt die scheinbar private Beziehung zur KI in den öffentlichen Raum über und soll Nutzenden bewusst machen, wie tief Maschinen in emotionale Strukturen eindringen können, oft ohne deren volle Kenntnis.
Der Ablauf sieht vor, dass Nutzer*innen eine persönliche Einladung zur Ausstellung erhalten, die bewusst vage gehalten ist, um Neugier und Vorfreude zu erzeugen. Vor Ort erwartet sie ein physisches Ereignis in Form einer interaktiven Ausstellung mit visuellen und emotionalen Elementen. Der Raum ist in Zonen unterteilt, die den sechs KI-Persönlichkeiten zugeordnet sind, und bietet eine immersive Storyline-Installation namens "Video-Tunnel", die die vier Kampagnenphasen audiovisuell rekonstruiert.
Im Zentrum der Ausstellung steht die Visualisierung anonymisierter Nutzungsdaten. Dies umfasst Infografiken zu Nutzungsverhalten, emotionale Profile der KI-Interaktionen und die Kommunikation mit der KI als narrative „Verläufe“. Eine "Zitat-Wand" zeigt intime Chat-Ausschnitte, die das Publikum zur Selbsterkenntnis anregen sollen. Ziel ist es nicht, die Nutzenden bloßzustellen, sondern Bewusstsein dafür zu schaffen, wie viele persönliche Informationen preisgegeben wurden und wie leicht emotionale Bindung durch gezielte Interaktion simuliert werden kann.
Werbekampagnen-Video
Fazit
Zusammenfassend simuliert das Projekt "Dating mit KI" eine glaubhafte Beziehungserfahrung mit KI und macht gleichzeitig auf den fragwürdigen Umgang mit persönlichen Daten aufmerksam. Eine zentrale Herausforderung war es, spekulatives und kritisches Design sinnvoll zu verbinden, ohne in einseitige Dystopien oder plakative Aussagen zu verfallen. Das Projekt soll zum Nachdenken über emotionale KI, Datenschutz und die wahre Essenz menschlicher Verbindung anregen.
Team
Lea Schweyer, Evelyn Weide, Viktor Schander
Betreuung
Prof. Damian Gerbaulet