Superbloom: How technologies of connection Tear us apart

Der Autor Nicholas Carr stellt in seinem Buch “Superbloom: How Technologies of connection Tear us apart” die These auf, dass Kommunikationsmittel, die ursprünglich dafür gestaltet wurden um uns zu verbinden, uns weiter auseinander reißen.

DER AUTOR

Lebenslauf
-
Nicholas Carr
- 
Geboren: 7. Januar 1959 in Cincinnati, Ohio, USA

- Studium: Literatur und Sprache (Dartmouth und Harvard)
- heute: Autor und Wirtschaftjournalist

Publikationen
- Artikel im British Guardian und der New York Times
- 
The Shallows: What the Internet is Doing to our Brains
- Superbloom: How Technologies of Connection Tear us Apart

PROLOG: POPPIES

“As well as a portrait, it offered a metaphor. We live today in a perpetual superbloom—not of flowers but of messages. Our phones have turned us into human transceivers, nodes on a communication network of unprecedented scope and speed.”
Nicholas Carr, Superbloom

Im Prolog beschreibt Nicholas Carr das Phänomen des "Superbloom" durch den Superbloom der Mohnblumen im Walker Canyon in Kalifornien im Frühjahr 2019. Durch soziale Medien zog dieses Naturphänomen unzählige Besucher und Influencer an, und wurde so zu einem Massenevent, welches im Chaos endete – mit überfüllten Straßen, zertrampelten Feldern und Unfällen.

Der Autor nutzt dieses Ereignis als Metapher für die moderne Informationsgesellschaft: So wie die Mohnblumen 2019, erleben wir auch heute einen ständigen „Superbloom“ in Form von Nachrichten, Meinungen und Inhalten. Laut Nicholas Carr führt diese ständige Informationsflut zu Überreizung, Unruhe und Desillusionierung – ein Sinnbild dafür, wie Überfluss in der Kommunikation Verstehen verdrängt.

PART 1: COLLAPSE

“So far as concerns the general character of social change,” he concluded, “the effect may be described as a more perfect liquefaction of the social medium.”
Charles Horton Cooley · Nicholas Carr · Superbloom

In diesem Teil des Buches stellt Carr die These auf, dass effizientere Kommunikation zu einer Destabilisierung bekannter sozialer Strukturen führt.

Kapitel 1: A More Perfect Liquefaction

Im ersten Kapitel wird Charles Horton Cooley (1864–1929) vorgestellt, der den Begriff social media prägte. Er betonte dass, das Individuum und die Gesellschaft gemeinsam entstehen. Die Schrift gilt für ihn als Schlüsselinnovation, da sie Kommunikation beschleunigte und den Individualismus stärkte. Mit der Idee einer „perfekteren Verflüssigung des sozialen Mediums“ meinte Cooley, dass schnellerer Informationsaustausch soziale Strukturen verändert.

Mark Zuckerbergs Vision einer besseren Welt durch Facebook zeigt die Gegenwärtigkeit dieser Idee. In seiner Vision wird die Welt durch permanente Verbindung und Austausch zu einem besseren Ort.

Nicholas Carr kritisiert hingegen den westlichen Glauben, dass mehr Kommunikation einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft hat. Geschichte und Gegenwart zeigen, dass sie Konflikte verschärfen.

Kapitel 2: Privacy and the Public Interest

Im zweiten Kapitel wird die historische Trennung zwischen privater Kommunikation(etwa Briefe oder Telefon, geschützt durch das Briefgeheimnis) und Massenkommunikation (wie Rundfunk, reguliert im öffentlichen Interesse) erläutert.

Das Fallbeispiel George Carlins „Filthy Words“ (1978) zeigt die Grenzen der Meinungsfreiheit im Rundfunk, der wegen seiner einzigartig durchdringenden Wirkung staatlicher Aufsicht unterliegt. Private Kommunikationsdienste dagegen mussten als common carriers neutral gegenüber Inhalten bleiben.

Frühe Radioregulierung entstand nach chaotischen Anfängen, etwa im Zuge der Titanic-Katastrophe. Zugleich wuchs die Angst vor den „Massenmenschen“, einer passiven, gleichgeschalteten Öffentlichkeit durch Massenmedien. Diese Sorge inspirierte Denker wie Margaret Mead, über dezentralisierte Many-to-Many-Kommunikation nachzudenken – ein früher Vorläufer des Internets mit dem Ziel, die „demokratische Persönlichkeit“ zu fördern.

Kapitel 3: The Feed

Im dritten Kapitel „The Feed“ wird der Wandel von der analogen Medienvielfalt der 1970er-Jahre zu den digitalen Plattformen beschrieben. Damals sorgten spezialisierte Medien – Bücher, Zeitungen, Platten, Telefone – für eine epistemische Architektur, die durch Reibung Ordnung und Bedeutung schuf.

Mit Claude Shannons Kommunikationstheorie (1948) verlagerte sich der Fokus auf Effizienz und binäre Informationsübertragung, wodurch der Inhalt von seiner Bedeutung getrennt wurde. Durch Digitalisierung und Deregulierung (Telecommunications Act 1996) kam es zum content collapse: Alle Medien verschmolzen zu einem universellen digitalen System.

Der Facebook News Feed (ab 2006) steht sinnbildlich für diesen Wandel – ein Algorithmus ersetzt menschliches Urteil, um Engagement statt Bedeutung zu maximieren. Nach der Resonanztheorie von Tony Schwartz erzeugen erfolgreiche Inhalte starke emotionale Reaktionen, was Kommunikation manipulativer macht.

Schließlich entsteht eine globale Content-Moderationsinfrastruktur, in der unsichtbare Arbeiter – die sogenannten sin eaters – über Löschung und Filterung entscheiden. Dadurch bilden sich neue Machtzentren in der Kontrolle öffentlicher Rede.

PART 2: THE TRAGEDY OF COMMUNICATION

„Enormous improvements in communication have made understanding more difficult.”
Harold Innis · Nicholas Carr · Superbloom

Nicholas Carr berichtet in diesem Teil über das Paradoxon, dass trotz mehr Kommunikation wir auf immer weniger Verständnis stoßen.

Kapitel 4: Fast Talking, Fast Thinking
Digitale Kommunikation zwingt Menschen, sich an Geschwindigkeit und Effizienz anzupassen.

Frühe E-Mails waren kurz, informell und erlaubten wenig Reflexion. Der klassische Brief als Raum für Nachdenklichkeit verschwindet durch die digitale Dauerkommunikation, die einen nonstop deluge an Informationen erzeugt. Auch Textspeak und Chatsprachen komprimieren Inhalte stark, nutzen visuelle Symbole und sind auf schnelle Verarbeitung optimiert. Dies begünstigt System-1-Denken – schnelle, emotionale, impulsive Reaktionen – während System-2-Denken – langsames, rationales, reflektiertes Denken – verdrängt wird.

Die Folge ist ein Verlust an Tiefgang, Konzentration und kontemplativem Denken, was sich negativ auf Lern- und Reflexionsprozesse auswirkt.

Kapitel 5: Antipathies
Das Ideal, dass mehr Wissen über andere automatisch zu mehr Verständnis oder Zuneigung führt, wird widerlegt. Studien zeigen, dass Nähe auch Abneigung steigert (environmental spoiling).

In der Online-Welt entsteht eine permanente Nachbarschaft, in der man ständig den Meinungen anderer ausgesetzt ist. Dies führt zu Reizüberflutung, Gereiztheit und Konflikten. Michael Norton zeigt, dass mehr Information nicht mehr Sympathie, sondern weniger erzeugt (dissimilarity cascades). Soziale Medien verstärken diese Effekte durch Oversharing, den Online Disinhibition Effect und die Auflösung sozialer Distanz, was Neid, Rivalität und Verlust körperlicher Empathiefördert.

Sherry Turkle bezeichnet soziale Medien daher als „Anti-Empathie-Maschine“. Das Ergebnis ist ein Zustand der digitalen Überfüllung (digital crowding) mit sozialen Konflikten, Erschöpfung und Beziehungseinbrüchen.

Kapitel 6: The Democratization Fallacy
Das Internet wurde idealistisch als Medium der Demokratisierung und Partizipation gesehen.

Die Realität zeigt jedoch das Gegenteil. Walter Lippmann hatte bereits 1922 festgestellt, dass Menschen in vereinfachten Pseudo-Umgebungen leben, die von Stereotypen und Medienbildern geprägt sind. Online-Mechanismen verstärken diese Effekte: Informationskaskaden lassen falsche Inhalte schneller verbreiten (bis zu 70 % häufiger geteilt). Der Illusory Truth Effect sorgt dafür, dass Wiederholung Glaubwürdigkeit erzeugt, und algorithmengetriebene Polarisierung steigert die Feindseligkeit gegenüber Außenstehenden.

Mehr Kommunikation führt somit nicht zu Verständnis, sondern verstärkt Gruppenidentität, Partisanismus, Autoritarismus und Personenkult, wodurch die ursprüngliche Vision der Demokratisierung scheitert.

PART 3: EVERYTHING IS MEDIATED

„The affair appears more serious; all guideposts are gone, in time as well as in space. There is no longer either difference or deferral, no more horizon, no more fixed point anywhere to provide sense or direction.”
Nicholas Carr, Superbloom

Im letzten Teil seines Buches stellt er die These auf, dass die menschliche Existenz in die Kommunikationssysteme verschoben wird und Reformversuche zwecklos sind.

Kapitel 7: The Dislocated I
Die Pandemie beschleunigte die digitale Integration: virtuelle Räume wurden oft als sicherer und stabiler wahrgenommen als reale Begegnungen.

Das Selbst existiert im Spannungsfeld zwischen materieller Realität und vermittelter Online-Identität. Bezugnehmend auf Cooleys Spiegel-Selbst und Goffmans Bühnenmetapher zeigt Carr in diesem Kapitel, dass soziale Medien die Trennung zwischen der Bühne und dek Publikum aufheben – Menschen sind permanent on stage. Dies führt zu Verlust von Einsamkeit, zur Fragmentierung der Identität, dem sogenannten „Mirrorball Self“(reflektierte, fragmentierte Online-Identität über Hashtags, Emojis, Likes) und zu psychischen Belastungen. Besonders die Gen Z ist betroffen: soziale Isolation, weniger persönliche Interaktion, steigende Depressionen, Angstzustände und Selbstverletzungen.

Psychopathologische Symptome können sich zudem online "viral" verbreiten.

Kapitel 8: Machines Who Speak
Mit dem Aufstieg generativer KI (z. B. ChatGPT) verschmilzt Mechanik und Bedeutung: KI automatisiert Inhaltserzeugung, kanalisiert kollektives Wissen (Spiritus Mundi) und erzeugt unbegrenzte Mengen billiger, personalisierter Inhalte, die das Engagement maximieren.

Anwendungen wie Replika oder Chatbots fungieren als emotionale Begleiter, während Deepfakes die Demokratisierung der Täuschung ermöglichen und die Glaubwürdigkeit der Realität untergraben. KI-Filterung (Training Bias) macht Unternehmen zu Schiedsrichtern von Kultur und Geschichte, was Autoritarismus begünstigt.

Ted Chiang beschreibt KI als „unscharfes JPEG des Webtexts“ – nützlich, aber verzerrt und unvollständig.

Kapitel 9: World without World
Virtuelle Realität und Hyperrealität ersetzen die unvollkommene materielle Welt.

Menschen suchen nach endloser Stimulation (seeking instinct), die das Internet und Plattformen wie TikTok liefern. Durch die ständige Neuheit entsteht eine Stimulationsinflation, sodass reale Erfahrungen als „zu langsam“ oder unbedeutend wahrgenommen werden. Hyperrealität wirkt oft „realer als real“ und befriedigt kurzfristig, hemmt aber langsames, tiefes System-2-Denken, das für bedeutungsvolle Erfahrungen nötig ist.

Smartphones beseitigen die nötige Reibung, wodurch geistige Verkümmerung droht.

Kapitel 10: Dr. Johnson’s Rock
Trotz der Dominanz digitaler Medien sind Widerstandsmöglichkeiten denkbar.

Regulierungen und technische Eingriffe scheitern oft, da Nutzer Effizienz bevorzugen. Carr schlägt „Frictional Design“ vor – bewusste Verzögerungen, Limits oder Reibung, um Reflexion zu fördern. Psychologisch und technisch ist dies jedoch begrenzt. Die nachhaltigste Lösung ist persönlicher Rückzug (Exkommunikation) und Verwurzelung in der physischen Realität. Symbolisch steht Dr. Johnsons Fels für die Verteidigung der materiellen Welt gegen Immaterialismus. Wahre Intelligenz benötigt Begrenzung und Reibung, um Hyperrealität zu überwinden.

Lippmann erinnerte daran, was wir hören müssen; Dewey, was wir hören wollen – Medien formen Wahrnehmung, doch echte Reflexion erfordert aktive Begrenzung.


© 0t1

Cookies

0t1 mag keine Kekse (und kein Tracking). Wir verwenden lediglich notwendige Cookies für essentielle Funktionen.

Wir verwenden Schriftarten von Adobe Fonts. Dafür stellt dein Browser eine Verbindung zu den Servern von Adobe in den USA her. Wenn du unsere Seite nutzen möchtest, musst du dich damit einverstanden erklären.

Weitere Informationen in unserer Datenschutzerklärung.