Design for a Better World. Meaningful, Sustainable, Humanity Centered - Don Norman

„Design for a Better World“ von Don Norman zeigt, wie Design nicht nur Produkte, sondern ganze Systeme prägt und damit auch unsere Krisen. Das Buch fordert ein neues, menschheitszentriertes Denken, um komplexe Probleme nachhaltig und sinnvoll zu lösen.


Wie Design uns helfen kann, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern

Don Normans Buch “Design for a Better World: Meaningful, Sustainable, Humanity Centered” stellt im Verlauf die These auf, dass Design im Zentrum der unzähligen Probleme steht, mit denen unsere Welt heutzutage konfrontiert wird. Im gleichen Zug argumentiert er, dass eine Neudefinition und Umstrukturierung dieses Designs, uns Wege zu deren Lösung aufzeigen könnte. Der Autor betrachtet die Welt über die Perspektive des Designs und betont dabei, dass die meisten Aspekte unseres Lebens, unserer Gesellschaft und unserer Systeme künstlich geschaffen sind und damit auch wieder verändert werden können. Im Folgenden beleuchten wir über diesen Artikel hinweg die zentralen Themen des Buches und nehmen einmal selbst die Perspektive des Designs ein.

I. ARTIFICIAL: Design als Schöpfer unserer Realität

Norman argumentiert, dass fast alles, was wir sehen, künstlich ist und von uns Menschen gestaltet, designed, wurde. Dieses Prinzip beschränkt sich dabei nicht nur auf physische Produkte, sondern behandelt auch unsere Systeme des Denkens und Handelns, die Verhaltensweisen, die unsere Leben strukturieren, und sogar abstrakte Konzepte wie Zeitsysteme oder Jahreszeiten. Alles wurde von uns gestaltet. Und was gestaltet wurde, kann auch geändert werden.

Jeder von uns ist ein Designer. Jeder gestaltet seine Umgebung mit und jede Entscheidung, die Dinge zu vereinfachen ist in irgendeiner Weise eine Art von Design oder wird in einem Tool realisiert. Professionelle Designer weiten dieses Prinzip zusätzlich noch auf die Gesellschaft aus. Die Vertrautheit mit und das Profitieren von existierenden Systemen kann allerdings dazu führen, dass ihre Künstlichkeit vergessen wird, was insbesondere für die "Ruling Class" ein Problem darstellt. Design, insbesondere in seiner modernen Form, da als Werkzeug des Kapitalismus entstand, verstärkt die Probleme unserer Welt, indem es beispielsweise zur Schaffung von "permanentem Müll" beiträgt. Auch ein fehlendes Systemdenken trägt dazu bei. Normans´ Erkenntnis, dass die Welt ein soziales, politisches, wirtschaftliches und ökologisches Chaos ist, führt uns nun zu der Frage:

Wenn Design uns in dieses ganze Chaos gebracht hat, kann es uns dann wieder heraushelfen?
Don Norman

II. MEANINGFUL: Kommunikation in einer komplexen Welt

Die Welt sollte so beschrieben werden, dass sie für den alltäglichen Menschen verständlich bleibt. Heutzutage werden wichtige Informationen oft hinter komplexen Erklärungen, technischem und juristischem Fachjargon versteckt. Technologie, Wissenschaft und Wirtschaft sind dominante Faktoren, die dazu führen, dass die Problembewältigung oft auf leicht messbare Aspekte reduziert wird und doch fehlt uns oft ein Kontext zu diesen Zahlen. Norman, der selbst Teile seiner Karriere damit verbracht hat, die Komplexität moderner Technologie verständlich zu machen, sieht hier eine wesentliche Rolle des Designers. Designer verstehen die Notwendigkeit, ihre Arbeit mit den Menschen zu testen, für die sie auch bestimmt ist. Sie nutzen Diagramme, Bilder und einfache Illustrationen, um komplexe Sachverhalte zu erklären und somit näher an die Menschen näherzubringen.

Das Buch hebt hervor, dass gerade bei Messungen oft nur die technisch messbaren Faktoren betrachtet werden, während wichtige soziale Variablen ignoriert werden. Maße wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) konzentrieren sich auf das, was einfach zu messen ist (z. B. Geld, Produktivität), anstatt auf das, was wirklich wichtig für die Menschen ist (z. B. Gesundheit, Bildung, Glück, Wohlbefinden). Norman kontrastiert hierbei Messungen und Geschichten: Messungen liefern Fakten, die präzise, aber auch abstrakt sein können und ohne Kontext zu Entscheidungen führen, die zwar faktisch sinnvoll erscheinen, aber in der Realität nicht funktionieren können. Geschichten hingegen geben einen Kontext und ein besseres Verständnis der Auswirkungen. In Kombination verleihen Geschichten den Messungen die notwendige Bedeutung. Eine aussagekräftige Geschichte oder ein Diagramm (wie ein Dashboard) kann dementsprechend komplexe Informationen leichter verständlich gestalten.

III. SUSTAINABLE: Umkehr und Reparatur der Schäden

Wir leben in einem Zeitalter des Abfalls ("Age of Waste"). Die Entwicklung der Massenproduktion und der Einsatz von Materialien wie Plastik haben zu einer Wegwerfgesellschaft geführt, die wir nicht ignorieren sollten. Es ist notwendig, unsere Lebensweise nachhaltig zu gestalten und auch hier findet Norman das Problem nicht allein in den STEM-Feldern. Eine der wichtigsten Veränderungen, die vorgenommen werden müssen, betrifft die Art und Weise, wie wir die wertvollsten Ressourcen der Welt erschöpfen und die Umwelt auf ungesunde Weise verschmutzen. Eines der Hauptprobleme liegt hierbei in den verwendeten Materialien und Obsolenzen, für die unser Wirtschaftssystem heutzutage oft einsteht.

Eine mögliche Lösung für dieses Problem, liegt im System der "circular economy", das darauf abzielt, Produkte reparierbar, verbesserungsfähig und wiederverwertbar zu gestalten. Diese setzt wiederum ein "circular design" voraus, das Abfall und Umweltverschmutzung minimiert, Produkte lange in Gebrauch hält und natürliche Systeme regeneriert. Eine nachhaltige Wirtschaft sollte widerstandsfähig, erneuerbar, wiederverwendbar und soweit wie möglich regenerativ sein. Die Umsetzung davon gestaltet sich jedoch äußerst problematisch und erfordert vor Allem tiefgreifende Veränderungen in Herstellung, Wirtschaft und anderen Bereichen, die allerdings oft aus zu hohem Risiko nicht eingegangen werden. Das zentrale Motto hierbei lautet: Um nachhaltig zu sein, können wir das Nicht-Nachhaltige nicht weiter aufrechterhalten.

V. HUMANITY CENTERED: Design für das gesamte Ökosystem

Norman führt in diesem Kapitel das Konzept des Menschheitszentrierten Designs ("Humanity Centered Design") ein und grenzt es klar vom traditionellen Menschenzentrierten Design ("Human-Centered Design", HCD) ab. Während HCD, das in den späten 1980er Jahren entstand, sich hauptsächlich auf die Bedürfnisse des individuellen Benutzers konzentrierte (Usability, Verständlichkeit), erweitert das menschheitszentrierte Design den Fokus auf das gesamte Ökosystem. Es betrachtet somit nicht nur den einzelnen Menschen, sondern alle Lebewesen, Pflanzen und die physische Umwelt. Das menschheitszentrierte Design basiert hierbei auf fünf Prinzipien, im Gegensatz zu den traditionellen vier Prinzipien des HCD:

  1. Grundlegende Ursachen statt Symptome angehen
  2. Den Fokus auf das gesamte Ökosystem legen (Menschen, Lebewesen, Umwelt)
  3. Die langfristigen Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt berücksichtigen
  4. Designs kontinuierlich testen – sowohl für Menschen als auch für das Ökosystem
  5. Partizipatives Design: Mit Gemeinschaften entwerfen und die Unterstützung ihrer eigenen Lösungen fördern

Ein weiterer wichtiger Aspekt des menschheitszentrierten Designs ist die Erkenntnis, dass traditionelle Design- und Entwicklungsmethoden, insbesondere im Bereich der Entwicklungshilfe, sehr oft koloniale Musterwiderspiegeln. Externe Experten bestimmen Lösungen ohne ein tieferes Verständnis der lokalen Kulturen zu besitzen, was meist zu unrealistischen und nicht nachhaltigen "White Papers" führt. Norman stellt im Zuge dessen das Modell der "Planers" versus "Searchers" vor.

Planers entwickeln umfassende Pläne, glauben, die Antworten bereits zu kennen, und betrachten Probleme wie beispielsweise Armut als rein technisch lösbar. Ihre starren Projekte scheitern damit oft, da sie an der Realität vorbeigehen. Searchers hingegen erkennen ihre eigenen Grenzen, suchen nach pragmatischen, schrittweisen Lösungen und arbeiten dabei eng mit den Betroffenen zusammen, um ein kontinuierliches Feedback zu erhalten.

"Planners think they already know the answers. Searchers recognize they don’t."
Don Norman

Demokratisierung von Design und Entwicklung

Dieser Ansatz führt zur Idee der Demokratisierung des Designs, die über die bloße Bereitstellung von Werkzeugen hinausgeht und die Menschen langfristig befähigen soll, selbstständig Lösungen für ihre eigenen Herausforderungen und Probleme zu entwickeln. Die Gemeinschaften verstehen ihre eigenen Hindernisse am besten und haben oft bereits Ideen für Lösungen, benötigen aber vielmehr Unterstützung bei der Umsetzung. Designer können hier vor Allem als Mentoren und Vermittler agieren.

"Muddling Through": ein pragmatischer, schrittweiser Lösungsansatz

Globale Probleme sind allerdings meist viel komplexer und erfordern die Beachtung unzähliger Eventualitäten und Variablen. Norman schlägt hierbei deshalb das Prinzip des „Muddling Through“ vor. Einem pragmatischen, schrittweisen Ansatz zur Lösung großer, komplexer Probleme. Da traditionelle Designmethoden oft für eher einfache Projekte ausgelegt sind und daher an komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen oft scheitern, erfolgt die Umsetzung hierbei in kleinen, anpassungsfähigen Schritten, anstatt perfekte Gesamtlösungen im Voraus zu planen. Dieser Ansatz wird vor Allem durch inkrementelles und modulares Design unterstützt. Designs werden in kleinere Module unterteilt, deren Ein- und Ausgabebedingungen klar definiert sind. Jedes Modul liefert ein nützliches Ergebnis und kann, solange es die Schnittstellenbedingungen erfüllt, unabhängig vom Rest des Systems entwickelt oder sogar ausgetauscht werden. Die interne Funktionsweise kann variieren, um sich an lokale Kulturen anzupassen, was Gerechtigkeit und Fairness für die Gemeinschaft ermöglicht. Diese Modularität bietet große Flexibilität, sodass Ziele und Anforderungen bei Bedarf jederzeit verändert und angepasst werden können.

"Planners think they already know the answers. Searchers recognize they don’t."
Don Norman

Die Rolle des Designers

Norman vergleicht die Rolle des modernen Designers mit der eines Orchesterdirigenten. Designer müssen den Gesamtüberblick behalten, versuchen, die Bedürfnisse der Menschen mit den Zielen des Projekts zu synchronisieren und die interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern. Die Herausforderung besteht hauptsächlich darin, effektiv in multidisziplinären Teams zu arbeiten, mit Experten aus verschiedenen Fachbereichen zu kooperieren und Konflikte zu lösen. Design ist notwendig, aber oft nicht ausreichend; Designer müssen mit anderen Experten und den kritischen Akteuren zusammenarbeiten. Gerade aus Design-Perspektive sind menschliche Fehler oft Symptome zugrundeliegender Schwierigkeiten im System, die durch ein grundlegendes Redesign des Systems behoben werden müssen, nicht durch Schuldzuweisungen oder sogar Umschulung.

Menschliches Verhalten und Handeln

Menschliches Verhalten stellt die größte Herausforderung für Veränderungen in der heutigen Gesellschaft dar. Belohnungsstrukturen, insbesondere monetäre Belohnungen, sind kurzlebig, während Anerkennung, Wertschätzung und persönliche Zufriedenheit von Dauer sind. Gesellschaftliche Belohnungsstrukturen beeinflussen das Handeln und Denken stark und oft so, dass Menschen den wahren Zweck ihrer Arbeit aus den Augen verlieren und sich eher auf kurzfristige Vorteile konzentrieren. Die Dominanz der Technologie hat das menschliche Denken und Handeln tiefgreifend verändert und trägt zur Mitverantwortung für globale Probleme bei. Menschen sollten nicht im Dienste der Technologie stehen, sondern diese zu ihren Zwecken und zur Lösung ihrer Probleme verwenden. Das Design von Maschinen und Arbeitsplätzen sollte menschliche Werte und Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellen, um nachhaltigere und gerechtere Systeme zu schaffen.

Wir müssen Lernen, Reflektieren, Entscheiden und Handeln.

"Wissen ohne Handeln ist bedeutungslos. Handeln ohne Nachdenken ist gefährlich."
Don Norman

Unsere Welt ist komplex und das müssen wir verstehen. Gute Entscheidungen erfordern eine Menge an Zeit und Reflexion. Entscheidungen müssen bewusst getroffen werden, unter Berücksichtigung langfristiger Folgen. Menschen können und müssen aktiv werden – individuell und gemeinsam.

Kernbotschaften und Fazit

Zusammenfassend vermittelt das Buch folgende Kernaussagen:

  • Jeder ist ein Gestalter der Welt
  • Menschen bevorzugen lineares Denken und Lösungsansätze, vermeiden Komplexität
  • Die Welt besteht aus komplexen, künstlichen Systemen
  • Die Lösung der Probleme erfordert die Zusammenarbeit aller Bereiche
  • Professionelle Designer können helfen, Probleme und Lösungen verständlicher zu machen und langfristige Folgen einzuschätzen
  • Designer können unterschiedliche Fachbereiche koordinieren

Das Buch liefert grundsätzlich gute Ansätze zu Thematiken, an die Design anknüpfen kann. Es bietet so Beispiele zur Erklärung komplexer Zusammenhänge und viele Denkanstöße, stellt im gleichen Atemzug allerdings auch Erwartungen bezüglich der Lösbarkeit globaler Probleme, die es möglicherweise nicht vollständig erfüllen kann.

Für die Zielgruppe, die sich bereits mit diesen Themen beschäftigt, mögen die Ansätze eventuell nicht gänzlich neu sein und gerade die Dichte an Themen kann schnell zu Irritation und Intransparenz der unterschiedlichen Zusammenhänge führen. Ungeachtet dessen ist Normans Beitrag eine wichtige Stimme im wachsenden Diskurs über die Neuausrichtung des Designs hin zu einer bedeutungsvollen, nachhaltigen und menschheitszentrierten Praxis.


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